Zu Gast bei alpinavera

Im Gespräch mit der Geschäftsführerin Jasmine Said Bucher

Landschaft
alpinavera fördert den Absatz der zertifizierten Regionalprodukte aus den Kantonen Graubünden, Glarus, Uri und Tessin. Jasmine Said Bucher hat die Organisation nicht nur ins Leben gerufen, sie ist auch seit 15 Jahren Geschäftsführerin. 

Seit 15 Jahren sind Sie Geschäftsführerin von alpinavera. Wie ist Ihre persönliche Beziehung zu Regio-Produkten?

In den Achtziger Jahren studierte ich Agraringenieurin in Kassel. Schon als Studentin gründete ich mit anderen einen Verein zur regionalen Versorgung mit ökologischen Lebensmitteln. Daraus ist ein Laden entstanden, den es heute noch gibt. Wir galten damals als die totalen Spinner. Dann hat sich der Markt entwickelt und die Detailhändler stiegen ein, sie haben gemerkt, das wird ein Trend.

Sie selbst haben die Vermarktung von Regionalprodukten zu Ihrem Beruf gemacht. Sie sind nicht nur Chefin von alpinavera, sondern Sie haben auch den Trägerverein mit ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?

2005 bekam ich eine Stelle am Plantahof als Beraterin und stellte fest, dass es keine Absatzförderung für Bündner Regionalprodukte gibt. Ich entwickelte ein Konzept für eine überregionale Absatzförderungsorganisation und gemeinsam mit dem Plantahof und weiteren Akteuren haben wir dann mit anderen Kantonen – also mit Glarus, Uri und Tessin – Kontakt aufgenommen. Der Bund hat unsere Initiative sehr unterstützt. Nach viel Klinkenputzen und Überzeugungsarbeit starteten wir im Mai 2007 mit unserer Arbeit.

Wo setzt alpinavera an?

Regionalprodukte bringen im Vergleich mit anderen Produkten pro Quadratmeter in einem Grossverteiler weniger Umsatz, um sehr profitabel zu sein. Je einmaliger aber Produkte sind, desto eher kann ein Mehrpreis erwirtschaftet werden und das Produkt eine langfristige Präsenz im Regal erobern. Gleichzeitig steigt der Bedarf für Unterstützung der kleinteiligen Strukturen. Hier werden wir tätig, an den jeweiligen Schnittstellen zwischen Politik, Bund, Produzenten, Gesellschaft und grossen sowie kleinen Handelsunternehmen.

Sie haben also immer das Potenzial der einzelnen Produzenten im Blick?

Für kleine Produzenten eignen sich regionale Massnahmen wie unsere Passmärkte. Andere grössere Produzenten liefern in den regionalen Handel, da arbeiten wir mit Programmen wie «Miini Region» oder «Aus der Region. Für die Region» zusammen oder wir sind präsent etwa am Regiomarkt St. Gallen oder an der Bea-Messe in Bern mit einem Gruppenauftritt. Im nationalen Kontext geht es vor allem darum, Produkte wie Spezialitätenkäse oder Wurstwaren zu vermarkten, die in so grossen Mengen produziert werden, dass sie im nationalen Kanal abgesetzt werden können. Diese Menge kann im  eigenen Kanton nicht mehr abgesetzt werden.

Wie sieht die nationale Unterstützung konkret aus?

Mit Coop im Rahmen des nationalen Programms Pro Montagna organisieren und stellen eine Mitfinanzierung bereit,  beispielsweise seit 2007 gemeinsam mit Coop organisierte Degustationen für die Partnerproduzenten, welche bei Pro Montagna dabei sind. So können Konsumentinnen und Konsumenten in rund 30 bis 50 Filialen an zwei Tagen im Jahr Produkte aus der alpinavera-Region kennenlernen.

Mittlerweile sind Regioprodukte sehr angesagt. Woran liegt das?

Es gibt viele Gründe, wie zum Beispiel Lebensmittelskandale. Aber auch, dass Lebensmittel durch grosse Produktionsketten regelrecht ihre Seele verloren haben. Ökonomisch mag die Zerteilung der Produktionskette Sinn machen, aber es hat auch zu Fragen etwa rund um das Tierwohl geführt. Konsumentinnen und Konsumenten müssen aber auch bereit sein, mehr zu bezahlen. Es bringt nichts, hohe Anforderungen an das Tierwohl oder die Produkte zu stellen, dann aber nicht bereit zu sein, den Aufwand der Produzenten zu entschädigen.

Erkennen Sie die Bereitschaft, höhere Preise für Lebensmittel aus Klein- und Kleinstbetrieben zu bezahlen?

Wir haben dazu seit 2008 immer wieder selber Studien in Auftrag gegeben oder externe Studien beigezogen , um Vergleichsdaten zu haben. Wir sehen eine gestiegene Mehrpreisakzeptanz. Die Menschen sind also bereit, höhere Preise zu bezahlen – und damit wächst auch unser Markt. Eine Vielzahl von Handelsunternehmen sind eindeutig bereit, für die Produkte der bei alpinavera angeschlossenen Produzenten mehr zu bezahlen als etwa für Lebensmittel aus grösseren Produktionen. Sie sind auch bereit, mal auf den Produzenten zu warten.

Wie sieht es mit dem Handel aus?

Die Produzentinnen und Produzenten erhalten wirklich Wertschätzung. Der Einkäufer hat natürlich das Interesse, das Regionalprodukt möglichst günstig zu erhalten. Aber von der Programmleitung und dem Detailhandel ist die Wertschätzung eindeutig da. Wenn es schwierig ist und es Konflikte gibt, dann kommen die Produzenten auch zu uns und wir versuchen, mit den Programmleitern auszuloten, welche Möglichkeiten es gibt.

Auf inhaltlicher Ebene ist die Wertschätzung bei den Detailhändlern also da, auf Preisebene je nachdem?

Hier muss man sehen, dass teilweise die Gelder wieder zurückfliessen. So wird gerade bei Pro Montagna aus den Einnahmen die Coop-Patenschaft fürs Berggebiet gestützt. Das sind nicht nur leere Worte. Auch die Einkäufer bei den Regionalprodukten drücken nicht das Letzte raus. Es gibt ein Verständnis, dass es sich hier um Spezialitäten handelt, die auch das Image vom Grossverteiler stärken.

Aber nicht jedes Produkt landet im Detailhandel.

Manche Produkte eignen sich eher für den Spezialitätenmarkt. Wir haben auch kleine Ketten beispielsweise im Biobereich oder regional, wie die Läden der Produzenten oder die graubündenVIVA-Läden der graubündenVIVONDA. Als Produzent muss man gut überlegen, für welchen Markt man produzieren möchte.

Beraten Sie Produzenten dabei, wenn sie sich nicht sicher sind?

Ja, selbstverständlich, oft geht es auch darum, Kontakte zu vermitteln. Aber am Ende machen die Produzenten das Geschäft selbst mit ihren Abnehmern.

Wenn Sie auf die Jahre mit alpinavera blicken, worauf sind Sie besonders stolz?

Ich bin völlig überrascht, dass wir so viele geworden sind. Es ist interessant, wie gross das Volumen dieser Regionalprodukte ist, die hier abgesetzt werden. Im alpinavera-Gebiet sind es rund 300 Millionen Franken Warenwert, die in den Handel kommen – da sprechen wir nicht vom Endverkaufspreis.

Und was ist eine prägende Erfahrung?

Wenn man neue Wertschöpfungsketten implementieren will, braucht man einen langen Atem.

Jasmine Said Bucher