Hochprozentig handgemacht

Bündner Brände
Die manifattura famigliare Antica Distilleria dal 1792 di Luciano Beretta produziert seit über 200 Jahren Spirituosen.

Am Fuss des Ofenpasses, auf 1700 Meter über Meer, haben Gisella und Luciano Beretta vor zwölf Jahren «von null wieder angefangen». Das Paar hatte in Tschierv ein historisches Haus erworben, sich aus Novazzano verabschiedet und mit Habe, Hund und Brennerei neu eingerichtet. «Mein Mann ist im Münstertal aufgewachsen. Er hatte immer schon Heimweh», erzählt Gisella, selber gelernte Brennerin. Im Alter von 13 Jahren sei er ins Tessin gekommen und habe später, auf dem Weg zum Ingenieur und Architekten, das Metier gewechselt und die Familienbrennerei «Antica Distilleria dal 1792» in Novazzano übernommen.

Berettas Basisbrand ist das Destillat «Grand Alpin» aus Unesco-Biosfera-Bergweizen. «Dieser Bioweizen ist einmalig», betont Gisella. Die Berettas lassen das Getreide im Bergell mahlen, im historischen Molino Scartazzini in Promontogno. In der Brennerei wird das Mehl mit Quellwasser vermischt und aufgekocht. Die Stärke löst sich und wirkt mit der Hefe zusammen, die beigegeben wird; es entsteht Zucker, die Mehl-Maische beginnt zu gären, der Alkoholgrad zu steigen. Jeden zweiten Tag wird gerührt und der Zuckergehalt gemessen. Wenn er auf 23 bis 24 Grad Oechsle gesunken ist, lässt sich die Maische brennen. Die Gärung kann bis drei Monate dauern, denn die Berettas verzichten auf Zusatzstoffe.


Biosfera-Wasser

Neben dem Bergweizen spielt das Wasser eine entscheidende Rolle. Die Quelle liegt in 500 Meter Distanz gut 100 Meter über der Destillerie am Rande des Nationalparks. «Es enthält keinen Kalk», erklärt Gisella. «Der Geschmack ist uh fein und speziell, das ist ein richtiges Terroirwasser, man schmeckt Lärche, Arve, Wurzeln, Kräuter und mineralische Noten.» Der dritte Punkt: Zeit, «viel Zeit!». Die von Luciano modifizierte Kolonnendestille hat einen geschlossenen Wasserkreislauf und wird mit Holz befeuert. Ein Brennvorgang dauert drei Stunden, «das Destillat findet die Aromen langsam und schonend».

Den klaren «Münstertaler Wodka» oder «Korn» kann man trinken, wie er ist oder nach einer Veredelung in Holzfässern als «Alpen Tschierwsky» oder als Single Malt «Beretta’s Pure High Alpine Whisky». 36 Goldauszeichnungen für 32 Produkte haben die Berettas erhalten. «Mein Gin Kranewitt wird bis nach London und Shanghai exportiert», sagt Luciano.

Eine Spezialität sind Arven-Spirituosen. Die Antica Distilleria Beretta hat einen Brand und einen Likör im Angebot. Für das Destillat «OvaSpin» lässt Luciano wenige junge Arventriebe und etwas zerkleinerte Zapfen in Bergweizen-Maische eine Zeit lang mitgären. Pro 100 Liter Maische je 100 Gramm Triebe und 100 Gramm Zapfen. Nach dem Brennen spürt man ein dezentes Arven-Aroma, gibt dann nochmals frische Triebe und Zapfen dazu und lässt das Destillat vier Monate im Barrique ziehen. Nachher entfernt man die Zutaten, filtriert den Brand, füllt ihn ab oder lässt ihn im Stahltank ruhen. Für den Likör «Betschla da Tschierv» lässt Beretta Arvenzapfen vier Monate im Bergweizengeist ziehen und gibt dann Bio-Alpenrosen-Honig dazu.

«Es ist eine Passion», sagt Gisella, «reich wird man damit nicht.» Die Berettas scheuen freilich auch keinen Aufwand. Früchte zentrifugieren sie nach der Gärung zu einem Wein-Dicksaft, den sie ohne «Beigemüse» wie Kerne, Haut und Stiele destillieren. Für alle Liköre wird ebenfalls das Bergweizendestillat verwendet. Etwa für den Preiselbeerlikör «Perla da Lüsai» oder «Iva da Lü» mit Hochgebirgs-Moschus-Schafgarbe sowie «Röteli Valchava», Münstertaler Kirschenlikör.

Gisella und Luciano Beretta stehen im dritten Lebensalter. Ans Aufhören denken sie nicht, tragen aber den Umständen Rechnung. «Wenn wir einmal nicht mehr so fit sind, bestellen wir die Holzscheite eben, und wenn uns jemand hilft, können wir sogar aus dem Rollstuhl noch destillieren.» An Holz als Brennstoff halten sie fest, denn sie sind überzeugt, dass auch dieses feine Aroma vom Destillat aufgenommen wird.