Blog 15.11.2024

Hansjörg Ladurner: Er geht seinen Weg

Ladurner
Hansjörg Ladurner ist dem Trend regionaler Küche nicht erst kürzlich aufgesessen. Der Koch des Scalottas Terroir ist einer der Pioniere, die in der lokalen Kulinarik Wurzeln schlugen, als die meisten Gastronomen noch mit Exotischem aus der Ferne auftrumpften. Ein Besuch auf seinem Bergacker, auf dem er seine eigenen Produkte anbaut.

von Martin Hoch, Redaktion Transhelvetica 

«Dem Boden muss es gut gehen», sagt Hansjörg Ladurner. Der Koch, kauert am Rande seines Bergackers. Er nimmt mit beiden Händen behutsam Erde vom Acker, führt diese zur Nase, schliesst die Augen und atmet tief ein. Der Duft löst ein zufriedenes Lächeln bei ihm aus. «Diese Erde riecht nach Leben.»

Ein Paradies auf 1300 m ü. M.

Der Boden ist die Grundlage von Ladurners Schaffen. In und auf ihm wächst, was später auf den Teller kommt. So heisst sein zum Schweizerhof Lenzerheide gehörendes Restaurant: Scalottas Terroir. Und der Bergacker im Weiler Lain ist genau das: sein Stück Erde am Fusse des Piz Scalottas. Gemeinsam mit seinem Sous-Chef René Bissig kultiviert er hier auf sechs Aaren Kartoffeln, Bergackerbohnen, Mais und Getreide. Dazwischen befinden sich auf einem Streifen Land hunderte Blüten verschiedenster Pflanzen. Dieser Blühstreifen muss nicht produktiv sein. «Wir achten darauf, dass der Boden alle drei Jahre zur Ruhe kommt, sich erholt», sagt Ladurner. Die sogenannten Beisaate des Blühstreifens regenerieren den Boden. Sie sind gleichzeitig Stickstofflieferant für die Erde und helfen diese sauber zu durchwurzeln, was den Bodenlebewesen dient.

Doch selbst im Blühstreifen findet sich Wertvolles für die Küche: beispielsweise die Samen des Mohns oder des Leins. Und all die pinken, roten und violetten Blüten tragen zur Biodiversität bei. Während Hansjörg Ladurner durch seinen Bergacker geht, landet eine Wildbiene auf seiner Hand. Er betrachtet sie, sagt: «Es macht Freude zu sehen, wie viele unterschiedliche Tiere sich im und um den Bergacker angesiedelt haben.» Einzig Hirsche und Rehe möchte er während den Sommermonaten von seinem Bergacker fernhalten. Davon zeugt ein zwei Meter hoher Zaun. «Aber sobald hier alles abgeerntet ist, kommt der Zaun weg und es beginnt ein Festessen für die Wildtiere.» Auch das habe seinen Zweck. Es erspart ihm das Mähen der Pflanzen und liefert wertvollen Dung.

Ladurner

Unkonventionell aus Überzeugung

Den Bergacker bewirtschaften Hansjörg Ladurner und René Bissig seit 2019. Irené Parpan, die in Muldain in einem traditionellen Backhäuschen Holzofenbrot fürs Restaurant Scalottas Terroir backt, erzählte ihrem Mann, dem Bergbauern Andreas Parpan, von Ladurners Vorhaben. Diesem gefiel die Idee. Und so stellte er den Köchen das Land zur Verfügung. Ladurner sagt: «Er ist unsere Spielwiese». Und wenn er von uns spricht, meint er auch den Landwirten Marcel Heinrich aus dem Albulatal, bekannt durch seine exquisiten Bergkartoffeln, der die beiden fachlich unterstützt, und Bruno Hassler, der regelmässig mit seinen Pferden vorbeikommt, um den Boden auf schonende Art mit Pflug und einer hölzernen Egge zu bearbeiten. Hansjörg Ladurner lacht und sagt: «Spinner finden sich immer.» Klar, sei eine gute Portion Idealismus Teil des Projektes. Und doch ist der Bergacker mehr als nur eine Spielwiese. Er liefert dem Restaurant pro Jahr zwischen 400 und 500 Kilogramm Kartoffeln. «Aber wir wollen mit dem Bergacker keinesfalls Selbstversorger werden.» Im Gegenteil, man schätze und setze auf ein regionales Netzwerk an Produzentinnen und Produzenten. «Viele von ihnen sind inzwischen gute Freunde», hebt der Koch hervor. Was man aber mit dem Bergacker möchte, ist inspirieren.

Die Landwirte aus der Region beispielsweise, indem man aufzeigt, dass der Anbau von Getreide, Kartoffeln oder Ackerbohnen im Einklang mit der Natur mitten im Berggebiet funktioniert. Oder die Lernenden des Hotel Schweizerhof, die regelmässig zur Kartoffelernte vorbeikommen. «Wenn sie die Lebensmittel selber aus dem Boden holen, entsteht eine Verbindung zum Produkt und dieses erhalte einen Wert.» Auch interessierten Gästen zeigt Hansjörg Ladurner gerne den Bergacker. Nach einem solchen Besuch erhält seine geschmacksintensive Küche noch eine zusätzliche Note: Wenn man Ladurner’s Green Burger mit Ackerbohnen, eines seiner mit Roggenmehl gebackenen Brote oder das Stroganoff mit Melser Süsskartoffeln und Bergackermohn isst, schaltet sich das Kopfkino ein. Dann kann’s geschehen, dass man, wie Ladurner, wenn dieser auf dem Acker an der Erde riecht, für kurze Zeit die Augen schliesst und gedanklich über das kleine Paradies schlendert, sieht wie die Waldstaudenroggen im Rhythmus des Winds tanzen, die Bienen nektarsuchend von Blüte zu Blüte fliegen und sich die weissen Mohnblumen der Sonne entgegenstrecken.

Scalottas Terroir

Was auf Hansjörg Ladurners Bergacker wächst, dürfen Gäste im Restaurant Scalottas Terroir köstigen. Regionale Produkte und fein abgestimmte Geschmäcker, dazu eine hohe Ästhetik, zeichnen Ladurners Küche aus. Das Restaurant gehört zum Hotel Schweizerhof Lenzerheide - ein Bett nach dem Essen ist demnach in der Nähe.